Nordhausen. Raymund Meilinger lehnt sich entspannt auf seinem Stuhl in der Ejadon Halle in Straubing zurück: Angeregt unterhält er sich mit seinem Teamkollege Ibrahima Diallo, im Hintergrund läuft Musik aus den aktuellen Charts.
Meilinger ist mit den Bundesliga-Boxern des Nordhäuser SV beim vierten Saisonkampf beim BC Straubing, er ist mittendrin im Projekt „Meisterschaft“ und er blickt optimistisch voraus auf seinen ersten Einsatz im Trikot des NSV. „Ein bisschen was habe ich schon über meinen Gegner gehört. Er ist größer wie ich und ein wenig schlaksig. Solche Gegner liegen mir. Ich will den Nordhäusern zum Sieg verhelfen“, blickte Meilinger voraus. Gegner von diesem Format hätte er schon gern in der vorigen Saison gehabt. Eingeplant für den ersten Kampf war der 27-Jährige schon.
Der Hessische Meister aus Kassel sollte in der Gewichtsklasse bis 76 Kilogramm boxen, zog sich nur wenige Tage vor seinem Debüt, im Sparring mit dem ebenfalls für den NSV kämpfenden Leon Bunn, einen Achillessehnenriss zu. „Etwa sechs Monate hat es gedauert, bis ich wieder Joggen konnte. Ich musste lange leiden“, sagte Meilinger. Gequält hat er sich trotz Verletzung – im Fitnessstudio. Dorthin ging es nämlich regelmäßig, gestützt auf Krücken. Not machte erfinderisch: Mit einem Freund traf er sich und machte mit ihm gemeinsam Sparring – auf Knien. Die Zeit des Leidens ist nun vorbei: „Ich fühle mich konditionell fit und auch das Boxen macht mir wieder richtig Spaß.“
Zuletzt bereitete die linke Hand noch einige Probleme. 2011 hatte er sich die Mittelhand gebrochen und seither entwickelte sich daraus etwas chronisches. Im Sommer kehrte der Mittelgewichtsboxer vom 1. BC Marburg dann in den Ring zurück und sicherte sich in Kiel zum fünften Mal in Folge den Deutschen Hochschulmeistertitel. Es war sein letzter Auftritt bei den Titelkämpfen. Sein Studium hat er mittlerweile abgeschlossen und ist als Sozialarbeiter in Kassel tätig. Meilinger blieb als Faustkämpfer erfolgreich: Es folgten Siege bei der Boxgala in Bürstadt und der Hessischen Mannschaftsmeisterschaft für Marburg. Für den selbst bekennenden Sportfanatiker ist Boxen aber nicht alles. Die zweite große Leidenschaft besteht aus drei Elementen: Schwimmen, Radfahren und Laufen.
„Mein Bruder ist im Triathlon aktiv. Ich habe die Einheiten als Konditionstraining mitgenommen.“ Geldschulden bei seinem Bruder Richard waren vor zwei Jahren der Grund für die erste Teilnahme am Ironman 70.3 in Wiesbaden. „Er hatte mir das Startgeld für den Wettkampf bezahlt und mich vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich musste irgendwie starten.“ Trotz Verletzung und nur sechsmonatiger Vorbereitung meisterte Raymund den Halbmarathon. „Der Wettkampf hat richtig Spaß gemacht und wird für mich langsam zur Tradition. Seither war ich immer dabei“, schwärmt der Sportfanatiker, der die drei Disziplinen zudem als gute Grundlage für das Boxen sieht.
Nachdem er sich von der großen sportlichen Belastung erholt hatte, folgte das nächste Highlight: die deutschen Meisterschaften der Elite-Boxer in Straubing. „Ich habe alle Lehrgänge mitgemacht, mich fit gefühlt, aber die linke Hand bereitete erneut Probleme“, sagte Meilinger, der seinen Start daraufhin kurzfristig absagte. Bei seiner damaligen Visite in Straubing bekam ihn Michael Döring nicht zu Gesicht.
Einige Wochen später, die Bundesliga läuft: Die angespannte Personalsituation im Mittelgewicht veranlasste den NSV-Mannschaftsleiter erstmals Ende November zum Telefon zu greifen. „Ich habe mich riesig gefreut, als ich Michaels Nummer auf dem Display sah und er mich fragte, ob ich für einen Einsatz gegen Straubing bereit wäre“, sagte Meilinger, der ihm ein positives Signal gab.
Döring entschied sich im Heimkampf für einen anderen Mann: den Polen Tomasz Jablonski. Die nächste Chance ergab sich für den Hessen nun am vergangenen Sonnabend zum Rückkampf in Straubing. Erneut klingelte einige Tage zuvor das Handy von Meilinger, erneut war Döring am anderen Ende. „Ich habe bis zuletzt gebangt und nicht an einen Einsatz geglaubt“, sagte Meilinger, der angeschlagen, mit einer leichten Erkältung, in den Ring stieg. Voll motiviert ging er seine Aufgabe an, dominierte seinen Gegner, setzte klare Treffer und gab das in ihn gesetzte Vertrauen mit einem Einzelsieg zurück. Noch mehr: Er sicherte dem NSV vorzeitig den Mannschaftssieg.
Mit dieser Leistung empfahl er sich für weitere Aufgaben. Die Lust auf einen Heimkampf ist natürlich groß: „Von der Kulisse ist das Boxen in Nordhausen einzigartig. Wenn eine ganze Stadt hinter dem Team steht, das ist schon geil.“ Zuvor genoss er aber erstmal die Heimfahrt – ganz entspannt und glückselig auf einem der Sitzplätze im Reisebus.
Vielen Dank an Sandra Arm für den tollen Bericht!